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DRUCKVERSION Der Berliner Westen wird aufgeräumt

Schon lange boomt die City West rund um den Breitscheidplatz. Nun folgt auch die Neugestaltung der Plätze und Freiräume

von UWE RADA

Die markantesten und weitläufigsten Grünflächen in der Berliner City West sind der Zoologische Garten und der Tiergarten. Auf den Stadtplänen aus der Zeit vor 1900 kann man sehen, wie der Zoologische Garten unmittelbar bis an den heutigen Breitscheidplatz reichte. Wer die gleichnamige Haltestelle der Stadtbahn verließ, blickte auf Tiergehege, und die damalige Kurfürstenallee verband den Tiergarten mit dem Schloss Charlottenburg. Von der heutigen Technischen Universität stand nur das Gebäude des Polytechnikums. Das Hauptgebäude der heutigen Universität der Künste wurde erst später errichtet. Der Berliner Westen, der damals schon in Scharen die Besserbetuchten aus den östlichen Stadtteilen anzog, war ein nobles Stück Stadt im Grünen.

An diese Verbindung von Stadt und Grün erinnerte der Landschaftsarchitekt Martin Rein-Caro vom Büro Topotek 1, als er Mitte November 2014 seinen Entwurf für eine Neugestaltung des Hardenbergplatzes vorstellte. Dass dieser Platz dringend einer Neugestaltung bedarf, ist unstrittig. Wer vom Bahnhof Zoo aus die City West betritt, kann schwer sagen, was der Hardenbergplatz eigentlich ist: Parkplatz, Bushaltestelle, Bahnhofsvorplatz, Eingang zum Zoologischen Garten? Von allem wohl etwas, aber nichts davon richtig.

Nun aber soll der Platz nicht nur ein neues Gesicht bekommen, sondern auch ein neues Label. "Wir wollen ein Stück Zoologischer Garten und Tiergarten auf den Hardenbergplatz holen", sagte Rein-Caro. Dazu wird der Platz in seinen Funktionen erstmals geordnet. Am westlichen Teil, vor dem Bahnhof, konzentrieren sich auf drei Fahrspuren die Flächen für Busse und Taxen. Der östliche, zum Zoo gelegene Teil, wird zur Promenade, bestanden mit Gehölzen wie sie auch im Tiergarten zu finden sind. "City meets park" nennen das Berliner Büro Topotek 1 und das Leipziger Büro Ivas ihren gemeinsamen Entwurf für eine Neugestaltung des Platzes zwischen Bahnhof Zoo, Zoologischem Garten und dem Hutmacherhaus. Das Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt haben sie überzeugt. Der Entwurf von Topotek/Ivas konnte sich gegen zwei weitere Planerbüros, darunter Lützow 7 und Atelier Loidl, durchsetzen.

Mit der Entscheidung für die neue Liaison von Stadt und Grün geht am Hardenbergplatz eine lange Geschichte des Provisoriums zu Ende. Die heutige Gestalt des 1956 errichteten Platzes geht auf die 750 Jahr-Feier 1987 zurück. Doch ein Schmuckplatz war die Verkehrsdrehscheibe nie geworden. Eher konzentrierten sich am Bahnhof Zoo die sozialen Probleme der Teilstadt West-Berlin, und seit dem Ende des Bahnhofs Zoo als ICE-Haltestelle drohte der Absturz in die Bedeutungslosigkeit. Mit der Neuordnung des Platzes und einer Verbindung des Tiergartengrüns mit dem pulsierenden Leben am Zoo-Palast, dem Bikini Berlin, dem Zoofenster mit dem Waldorf Astoria und dem entstehenden Upper West schafft es der Hardenbergplatz, wieder zum Entree für die westliche City zu werden. Ein Hochhaus mit 209 Metern Höhe, wie es zuletzt die AG City-West und der Architekt Christoph Langhof vorgeschlagen hatten, ist damit ebenso vom Tisch wie eine teure und wohl auch nicht wirtschaftliche Tiefgarage.

Der Hardenbergplatz ist nicht der einzige Ort im alten Berliner Westen, der ein neues Gesicht bekommt. Auch die ehemalige Kurfürstenallee, die kleine Schwester des Kurfürstendamms, die heute durch den Campus der Technischen Universität und der Universität der Künste führt und etwas technokratisch "verlängerte Hertzallee" heißt, soll wieder zu ihrem Recht kommen. Deshalb wird dieses vergessene Stück Hertzallee zwischen Fasanenstraße und Ernst-Reuter-Platz, bisher durch Schranke und Zaun zum halbprivaten Raum abgezirkelt, wieder geöffnet. Einen Wettbewerb, bei dem sich 35 Büros bewarben und sieben in die engere Auswahl kamen, konnten die Landschaftsarchitekten Laura Wahl und Deniz Dizici vom Büro Lavaland und TH Treibhaus für sich entscheiden. Sie betonten in ihrem Entwurf den verbindenden Charakter der Binnenstraße, in dem sie sie an mehreren Stellen zu Begegnungsorten aufweiten. Damit würdigten sie "in sehr überzeugender Weise die Idee des Campus als geräumigen Ort mit der Idee der ehemaligen Kurfürstenallee als Transitraum", befand die Jury unter Vorsitz der TU-Landschaftsarchitektin Cordula Loidl-Reich.

Beide Freiraumplanungen, die für den Hardenbergplatz ebenso wie die für den Campus Charlottenburg, haben eines gemeinsam: Sie öffnen sich der sie umgebenden Stadt und beenden damit ihr Inseldasein. So entstehen neue Wege und Perspektiven. Künftig kann, wer vom Bahnhof Zoo zum Ernst-Reuter-Platz gelangen will, auch den Weg über die Hertzallee nehmen, ohne sich dabei als Eindringling in den studentischen Kosmos der TU oder UdK zu fühlen. Damit wird der Hardenbergplatz auch seiner Verteilerfunktion in der City West wieder ein Stück gerechter. Neben dem Breitscheidplatz hat der alte und neue Westen ein neues Zentrum.

Nun, da mit dem Aufräumen und dem Ordnung schaffen im Zentrum der City West begonnen wurde, kann sich der Blick auch auf die Eingangstore zum Berliner Westen richten – die Kleiststraße und den Nollendorfplatz im Osten und den Ernst-Reuter-Platz im Westen. Beide Plätze sind die Hinterlassenschaften einer städtebaulichen Moderne, die an das Auto mehr glaubte als an den Menschen. Rückbau lautete also das Gebot der Stunde, doch ganz so weit will die zuständige Senatsverwaltung für Stadtentwicklung nicht gehen. "Wir planen derzeit nur die Begrünung des Mittelstreifens in der Kleiststraße", sagt Manfred Kühne, Abteilungsleiter in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Anlass sei die Sanierung der U Bahnlinie 2, in deren Folge auch die Tunneldecken verstärkt werden. "Das ist uns eine willkommene Gelegenheit, gestalterische Maßnahmen anzuschließen." Auf diese Weise war 2013 auch der Mittelstreifen des Tauentzien nach einem Entwurf des Büros Lützow 7 neu gestaltet worden.

Ähnlich minimal werden auch die Eingriffe am Ernst-Reuter-Platz sein. Eine Belebung der Mittelinsel des bei seiner Fertigstellung 1963 größten Platzes in West-Berlin, ist laut Senat nicht möglich – die Freiraumgestaltung steht unter Denkmalschutz. Das freilich hat den Senat nicht davor zurückschrecken lassen, den Brunnen abzustellen. Erst auf eine private Initiative hin und auf Druck von Edzard Reuter, Sohn des legendären Namensgeber, wurde der Brunnen wieder in Betrieb genommen.

So bleibt der Ernst-Reuter-Platz also weiterhin eine verkehrsumtoste Insel – und damit ein Symbol für die Beharrungskräfte der alten Insel Westberlin. Einen Lichtblick im Sinne des Wortes aber gibt es. Wo die Hertzallee künftig auf den Platz trifft, soll nach dem Willen der TU ein gläsernes Café entstehen. Der Grund: Weil das Institut für Bergbau und Hüttenwesen von Willy Kreuer aus dem Jahren 1956-1958 ebenfalls unter Denkmalschutz steht, kann es nicht abgerissen werden. Durch das gläserne Café soll so wenigstens der Blick auf die neu gestaltete Hertzallee und ihrer neuen Wegeführung zum Hardenbergplatz gelenkt werden.


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